Montag, 12. Dezember 2016

10-12-2016

Hallo meine Lieben,

ich habe ein unglaublich schlechtes Gewissen, weil ich euch so lange nicht mehr geschrieben habe. Hier ist einfach sehr viel los und die Arbeit lässt mir keine freie Minute. Dadurch, dass ich gerade krank bin, habe ich mal wieder Zeit, ein Lebenszeichen von mir zu geben. :D
Für meine Schüler gebe ich momentan alles. Ich versuche ihnen, auch gegen den Willen meiner Chefs, ganz viel Material für die Schule in Braille zu setzen. Man muss sich vorstellen, wie schwierig es ist, im Unterricht mitzukommen ohne Bücher, Texte und Aufgaben. Das einzige Buch, dass sie komplett in Braille ausgehändigt bekommen ist Englisch und Deutsch. Vor allem für die Abiturienten reicht das aber nicht aus. Das Schuljahr hat auch sehr spät angefangen und so müssen die Lehrer den Stoff schnell durchnehmen und viele nehmen keine Rücksicht mehr auf die blinden Schüler. Diese kommen beim Mitschreiben nicht mehr mit und ihre Mitschüler haben immer weniger Zeit ihnen den Stoff zu diktieren. Somit bin ich mehr damit beschäftigt, meinen Schülern das Durchgenommene und Aufgaben oder Beispielklausuren zu diktieren als Nachhilfe zu machen. Die Zeit reicht nicht. Unter der Woche arbeiten wir schon immer bis 21:00 und auch am Wochenende bin ich bei meinen Schülern. Vier meiner Schüler müssen beispielsweise auch jedes Wochenende ein Diktat schreiben. Deren Französischlehrer hat mich beauftragt, dies mit ihnen zu machen. Das nimmt schon mit Korrektur ca. zwei Stunden ein. Ich habe auch einen neuen Schüler, der jetzt von der Grundschule im Blindenzentrum zu uns gekommen ist. Er muss noch lernen eigenständig zu lernen, ich muss ihm also täglich Aufgaben und Lernstoff geben, den ich am nächsten Tag kontrolliere. Ich hoffe, ihm so zu zeigen, dass er täglich zu Hause lernen muss, um in der Schule mithalten zu können. In den letzten Wochen waren zudem ständig Schüler von mir krank, um die ich mich kümmern musste. Ich habe leider nach wie vor nicht gelernt, Nein zu sagen und so nehme ich immer wieder neue Aufgaben an und meine To do-Liste wird nie kürzer, sondern vergrößert sich ständig. Ein weiteres Problem ist die Arbeit mit den Schülern von der anderen Schule. Diese haben teilweise schon mehrmals eine Klasse wiederholt, sechs Schüler sind letztes Jahr beim Abitur durchgefallen und das Problem ist, dass sie sich schon seit ein paar Jahren aufgegeben haben und nicht mehr motiviert sind zu lernen und alles für die Schule zu geben. Da sind unsere Chefs auch nicht sehr unterstützend, indem sie den Schülern tagtäglich zu verstehen geben, wie dumm, faul und unintelligent sie sind. Sie bräuchten meiner Meinung nach ganz viel Motivation und Nachhilfe, man muss ihnen zu verstehen geben, dass sie das mit Einsatz schaffen können. Nun habe ich aber gar keine Zeit, mit ihnen zu arbeiten und die neue Volontärin braucht natürlich erstmal Zeit, sich einzugewöhnen und es ist auch nicht einfach, Nachhilfe mit so vielen Schülern verschiedener Klassen zu organisieren. Ich finde sowieso, diesbezüglich müsste das Projekt einen Zeitplan, bzw. ein Programm für die Nachhilfe mit den Schülern vorgeben, damit die Volontäre direkt am Anfang des Schuljahres mit dieser Arbeit beginnen können.
Zu der Arbeit im Projekt ist jetzt auch noch die Arbeit für unsere neu gegründete Assoziation gekommen. Im Moment bin ich sozusagen die Sekretärin meiner Schüler. Wenn Anfragen, Projekte, Briefe etc. geschrieben werden müssen, bin ich zuständig. Zudem geht die Suche nach finanzieller oder materieller Unterstützung weiter. Das ist unglaublich anstrengend. Für die Schüler ist es schwierig, das neben der Schule zu machen. Sie dürfen nicht allzu oft im Unterricht fehlen, die Arbeit für die Assoziation sollte auch keine negativen Auswirkungen auf ihre schulischen Leistungen haben, wo es doch eine Assoziation für Bildung ist. Unser Koordinator musste ein paar Mal nach Lomé unter der Woche und ich musste ihn auch einmal aus dem Unterricht holen für einen wichtigen Besuch bei dem Chef der GIZ. Leider war unsere Suche noch nicht sehr erfolgreich. Wir bekommen ständig Versprechungen und positive Antworten, Geld haben wir aber leider noch keines gesehen. Neulich hat uns glücklicherweise eine Druckerei eine ganze Menge Blätter gespendet. Das ist super! Damit drucke ich jetzt die Hausordnung (? Ich habe die deutsche Übersetzung noch nicht rausgefunden. Auf Französisch heißt das „statuts“ und „règlement intérieur“) für unsere Organisation in Braille aus. Denn wir wollen noch vor meiner Abreise die Generalversammlung organisieren, da muss die „Hausordnung“ vorgelesen werden, zudem muss diese für jedes Mitglied zugänglich sein. Bei der Versammlung wird unser provisorisches nationales Exekutivbüro endlich offiziell gewählt werden.
Ich muss jetzt leider langsam Schluss machen, weil ich doch noch nicht so fit bin.
Ich bin auf jeden Fall weiterhin superglücklich in Togo. Linn ist die beste Gastfamilie, die es gibt und meine Schüler sind die liebsten und bewundernswertesten Menschen die ich kenne. Ich lerne unglaublich viel von meinen Mitmenschen hier und bereue diese 1 ½ Jahre keine einzige Minute! Deshalb sind Linn und ich allen unseren Unterstützern bei unserem Förderkreis, beim Crowdfunding (was sehr sehr erfolgreich war, wir haben es geschafft!) und generell bei der Begleitung unseres Freiwilligendienstes soo unvorstellbar dankbar!!! Ohne euch wäre das alles nicht möglich gewesen und wir hätten so viel verpasst.
Linn und ich sind übrigens fleißig am Weihnachten vorbereiten. Wir organisieren jeden Adventssonntag einen Adventsabend für alle Volontäre, die Lust haben. Wir singen dann Weihnachtslieder bei Kerzenschein und essen Kekse. Am 6. Dezember wollen wir Wichteln und für Weihnachten überlegen wir uns auch noch etwas besonderes . Linn hat mir sogar einen Adventskalender gebastelt :D Wir haben auch schon einen kleinen Weihnachtsbaum (bzw. Ast) und einen Mini-Adventskranz :P
Naja, das dazu ;) Ich wünsche euch eine ganz tolle Adventszeit!


Mir ist gerade noch eingefallen, dass ich euch noch von meinem Mädchenfußballprojekt erzählen muss. Ich habe jetzt mit Schulbeginn an meiner Schule hier ein Mädchenfußballteam gegründet. Mein Freund Djibril, der auch Mathelehrer an der Schule ist, hat sich als Trainer bereit erklärt und ist sehr engagiert. Wir haben das Training zu zweit begonnen und jetzt nach ca. einem Monat haben wir schon 15 Mädels die regelmäßig zum Training kommen. Die Mädels sind alle super motiviert, nur leider haben viele noch nie einen Ball gespielt (hier im Spulsport werden nur Leichtathletikdisziplinen durchgenommen), dadurch werden die wenigen Mädels, die schonmal in einer anderen Stadt Fußball gespielt haben demotiviert, aber es funktioniert trotzdem durch die Begeisterung und die schnelle Weiterentwicklung der Spielerinnen. Ich bin richtig froh, dass ich das doch noch auf die Riehe bekommen habe, damit habe ich jetzt so kurz vor Schluss gar nicht mehr gerechnet und der Frauenfußball liegt mir doch ziemlich am Herzen :P