SADEA – Ergebnis schwerwiegender Probleme im Projekt
29-07-2016
SADEA – Sinergie d´action pour le développement éducative des aveugles
(« Aktive Bewegung » für die edukative Entwicklung von Blinden) ist
eine junge Assoziation, konstituiert aus blinden Schülern der weiterführenden
Schulen Kpalimés und Lomés in Togo, Afrika. Gegründet hat sich die Organisation
am 07. Juni 2016. Die Idee ist schon lange in den Köpfen einiger Schüler,
Auslöser ist schließlich das Zudrehen des Geldhahnes einer italienischen ONG.
Ok, jetzt fragt ihr euch, was will Philine euch denn damit sagen. Ich
werde es euch erklären:
Die ersten Infos erhielt ich schon vor ca. einem Monat als ich dem
Blindenzentrum in Lomé einen Besuch abstattete. Ich wollte den Sportkurs für
die Schüler organisieren und mi wurde schon als Problem für kommendes Schuljahr
erläutert, dass die Gymnasiasten nicht mehr im Blindenzentrum beherbergt werden
können, da die Organisation, die bisher zahlte, kein Geld mehr gibt. OK, ich
hatte die Woche darauf mit dem Direktor des Blindenverbandes von Togo
gesprochen und auf meine Frage, wie man dieses Problem regeln würde, antwortete
er unbesorgt, man werde Wohnungen für die Schüler suchen, wie das in Kpalimé
auch der Fall ist. Grund sei, die Schüler zu mehr Selbstständigkeit zu bewegen.
Das hörte sich doch schon viel positiver an, ich war beruhigt. Eine Woche
später wurde mir dann von meinen Schülern in Kpalimé die Idee, eine
Organisation für die Schüler von den Schülern zu gründen aufgezeigt, und ich
wurde gefragt, ob ich Interesse hätte, teilzuhaben. Ich willigte sofort ein,
etwas derartiges erhoffte ich mir schon seit langem, ich war allerdings noch
skeptisch. Was bewegt die Schüler dazu, jetzt so eine Organisation aufzubauen?
Wie soll diese aufgebaut sein? Finanzierung? Wie wird das alles ablaufen?
Einige Tage später wurde ich zu den Fast-Abiturienten gebeten. Sie
stellten mir die konkrete Idee der Organisation vor. Nun wurde es klarer und mir
wurde endlich der Grund für die plötzliche Gründung dieser Organisation
erläutert. Und der Grund ist schon fast ein Zwang für die Schüler, das Steuer
selbst in die Hand zu nehmen und etwas zu tun!
Ich komme zu den Details. Das Projekt S.E.I.D.S., in dem ich arbeite,
wird seit 30 Jahren von einer italienischen
ONG finanziert. Ein italienischer Freiwilliger hat bis jetzt jedes Jahr
auf´s Neue nach Fonds und Spendern gesucht. Jetzt ist er an einem Punkt
angekommen, wo seine Kraft am Ende ist und er hat seine Arbeit aufgegeben.
Verständlich, das ist eine unglaublich mühselige Arbeit. Aber auch
unverständlich. Wie kann die Finanzierung eines so großen Projektes von der
Spendersuche einer einzelnen Person abhängen? Das Projekt betreut die blinden
Schüler weiterführender Schulen der vier größten Städte Togos (Lomé, Kpalimé,
Sokodé, Kara) und kümmert sich um deren Schulgeld, Wohnung, Ernährung,
Gesundheit und Schulmaterial. Hierbei muss ich einen neuen Punkt beisteuern,
der ein weiterer großer Grund für die Gründung der Assoziation ist. Stichpunkt
Korruption…
Während meiner Arbeit in meinem Projekt, stieß ich ständig auf
Geldprobleme und damit verbundene Mängel. Die Wohnungen der Schüler sind
mangelhaft, es regnet stellenweise rein, die Toilette ist undicht oder auch gar
nicht mehr funktionsfähig, die Fenster nicht mehr schließbar, die Mauer auf der
Terrasse bricht schon durch dagegen stoßen an einigen Stellen ein, … Ich
bekomme tagtäglich die Mangelernährung meiner Schüler mit. Die Eltern schicken
ihnen kleine Geldbeträge und auch Reis, Bohnen und Maismehl. Das sind
letztendlich die Hauptnahrungsmittel. Fleisch, Obst und Gemüse sehen die
Schüler selten und eine Mahlzeit wird oft nur einmal am Tag eingenommen. Wenn
die Eltern Probleme haben oder es Schwierigkeiten beim Versenden des Geldes
gibt (hier ist es nicht üblich Bankkonten zu besitzen), leiden die
Jugendlichen. Elektrizität müssen die
Schüler selbst zahlen, und auch bei Schulmaterial gibt es ständig Engpässe.
Blätter werden vom Projekt gegeben, allerdings nicht ausreichend. Die drei
Chefs/Verantwortlichen in Kpalimé meinen oft, die Schüler sollen sparsamer mit
den Blättern umgehen oder die Schüler seien faul und würden nichts für die
Schule tun und die Blätter nur klauen… Hm, diese Aussage von drei Menschen, die
sich z.B. in meiner Schule dreimal bis gar nicht während des ganzen Jahres
blicken lassen haben. Es seien auch nicht ausreichend Blätter da. So wird auch
argumentiert, wenn ich zusätzlich zu den Englisch- oder Deutschbüchern,
Aufgaben, Texte oder Vokabellisten für die Schüler in Braille drucken will.
Diktiere ich den Schülern genanntes Material, haben diese nicht ausreichend
Blätter zum Schreiben und das nimmt unglaublich viel Zeit in Anspruch, die von
der Zeit zum Lernen abgeht und was anstrengend für die Hände ist. Weiterhin
müssen die Schüler Griffel und Punktschrifttafel (Schreibwerkzeug) selbst zahlen, was dazu führt,
dass sie ihr Schreibmaterial seit der Grundschule nicht erneuern. Der Griffel eines Schülers ist jetzt
fast komplett abgenutzt, er hat aber kein Geld ein neues zu kaufen. Das sind
nur wenige der vielen Probleme, mit denen die Schüler tagtäglich konfrontiert
werden. Nicht einfach, da sie auch schon früh das Elternhaus verlassen mussten,
um eine Chance auf Schulbildung zu haben. Zurück zu den Verantwortlichen des
Projekts. Betreiben sie Korruption? Gibt es wirklich zu wenig Geld? Laut meiner
Schüler betreiben die drei Chefs schon seit langem Korruption und das Geld für
Lebensmittel, Gesundheit und Schulmaterial bleibt in den Taschen der
Verantwortlichen stecken.
Beweise? Schwierig. V.a. hier in Togo. Ich fragte meine
Chefs unter anderen Vorwänden nach Berichten und genaueren Informationen des
Projektes. Als Antwort bekam ich einen Bericht von vor zehn Jahren mit der
Antwort, dass nicht immer alles dokumentiert wird. Merci! Ich muss aber ehrlich
sagen, dass ich meinen Schülern mehr Glauben schenke. Sie kennen unsere
Verantwortlichen besser als ich und sind seit Jahren unter deren „Obhut“. Sie
berichteten mir einiges. Bspw. Sieht das Projekt Essensgeld für jeden Schüler vor
und versichert auch Arztbesuche. Es wurden sogar einmal Computer gespendet mit
dem Nutzen ein Internetcafé für Blinde zu errichten. Diese befinden sich jetzt
in dem Kopierladen der Tochter unseres Chefs, die Aufkleber der italienischen
Organisation sind noch gut sichtbar. Weiter möchte ich dieses Thema jetzt gar
nicht ausführen, mir geht es in diesem Bericht um unsere neu gegründete
Organisation SADEA.
Unsere erste Generalversammlung erfolgte am 07. Juni 2016.
Der Großteil der Schüler aus Kpalimé versammelte sich, auch ich war eingeladen.
In dieser Versammlung wurde endlich ein Plan, das Vorgehen der Organisation
dargelegt. Ein provisorisches exekutives Büro bestand bereits. Unser Koordinator, ein Abiturient, erläuterte
uns alles. Er legte Wert darauf, allen Gründungsmitgliedern klar zu machen,
dass das provisorische Büro nötig sei, um sofort mit den Maßnahmen zu beginnen.
Im September wird das Büro dann bei der Generalversammlung demokratisch
gewählt. Das Büro besteht aus zwei Koordinatoren, zwei Sekretären, zwei
Schatzmeistern und einem Rat. Zusätzlich wurde ein Zuständiger für
Kommunikation und weitere kleinere Rollen. Für das Startkapital muss jedes
Mitglied einen Beitrag von 500 F (ca. 1€) zahlen. Dies ist für die Schüler
viel, aber bezahlbar. Als Monatsbeitrag legen sich die Schüler auf 200 F (ca.
30 Cent) fest, mehr ist nicht drin. Wie wird jetzt vorgegangen, um an das
heißbegehrte Metall zu kommen? Der benötigte Geldbetrag, um die Fortsetzung der
Schullaufbahn von 30-40 Schülern zu ermöglichen, ist enorm.
Eli, unser Koordinator schärft den Schülern ein, jetzt müsse
mit allen Mitteln nach Finanzierungen gesucht werden und die Assoziation
benötige jeden einzelnen um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Gleichzeitig
ermutigt er sie auch, denn gemeinsam, mit dem Einsatz jedes Mitgliedes ist dies
möglich.
Nun soll so vorgegangen werden, dass Anfragen zu
finanzieller Unterstützung an alle möglichen Institutionen gestellt werden. Wir
wollen im Inland beginnen und notfalls auch im Ausland anfragen. Weiteres Ziel
ist, in ein paar Jahren selbstständig und unabhängig von Spendern und Partnern
zu sein. Dazu wollen wir eine Boutique aufbauen, in der Kunsthandwerk der
Schüler und Lebensmittel verkauft werden sollen. Außerdem soll mit Feldarbeit
Geld eingenommen werden. Weitere Ideen werden sich in nächster Zeit bestimmt
entwickeln. Ich habe auch den Verkauf eines
Kochbuchs mit togolesischen Rezepten begonnen. Ahmed besorgt mir dies
aus Kara zu einem Freundschaftspreis und ein Anteil des Gewinns geht an die
neue Organisation meiner Schüler.
So der Stand Ende Juli 2016.
11-09-2016
1,5 Monate später. Viel ist geschehen, wir haben wahnsinnig
viel für die Assoziation gearbeitet. Wir, d.h. fünf der 30 (!) Schüler und ich.
Hiermit spreche eines der ersten großen Probleme unserer Assoziation an. Noch
bei unserer ersten Generalversammlung versprach jedes Mitglied vollen Einsatz
für die Assoziation, zwei bis vier Wochen später verließen alle Schüler Kpalimé
um zu ihren Familien zu fahren… Von den meisten hört man nichts mehr und v.a.
kein Interesse für die Assoziation. Zwischendurch hatte ich einmal eine
Nachricht an jeden Schüler geschickt, in der ich ziemlich aufgebracht
erläuterte, wie wichtig die Mitarbeit jedes einzelnen Mitglieds sei. Bis vor
ein/zwei Wochen befand sich nämlich noch kein einziger Franc in unserer Kasse
und die einzigen, die für SADEA kämpften (hat sich bis jetzt nicht geändert)
waren Eli, unser Koordonator, Edmond, Bonadi und Andrim, Gründungsmitglieder,
und ich, mittlerweile zur Sekretärin mutiert. In Lomé zeigt sich nur ein
Schüler, unser Zuständiger für Kommunikation engagiert.
Ich berichte jetzt mal von vorne. Anfangs schrieben wir
Briefe an Kirchen, Krankenhäuser, Mobilfunkanbieter und andere Institutionen
und Gesellschaften. Jeden Brief brachten wir persönlich zu den
Verantwortlichen. Zu der Zeit war ich teilw. von 7 Uhr morgens bis 18 Uhr
abends mit Andrim zu Fuß unterwegs, um Direktoren und Präsidenten zu treffen,
die meistens „in einer Besprechung“ waren oder wir uns „um einige Minuten
gedulden“ sollten,… Typische Antworten von wichtigen Personen. Leider waren
diese ganzen Aktivitäten nicht sehr erfolgreich. Wir beschlossen unsere
Vorgehensweise zu ändern, in Kpalimé schien unsere Suche keine Früchte zu
tragen. Die Schüler beschlossen, die Arbeit in Lomé, der Hauptstadt Togos,
fortzuführen. Sie handelten mit dem Blindenzentrum vor Ort aus, ein Zimmer für
einen Monat für eine ganz kleine Gegenleistung zu bekommen. Schließlich machte
ich mit Andrim, Edmond und Eli auf den Weg nach Lomé ins Blindenzentrum, wo
Augustin, unser Zuständiger für Kommunikation, uns erwartete. Nun begann die
Arbeit in Lomé. Um unsere dortige Arbeit zusammenzufassen: wir schrieben
mengenweise Briefe und Anfragen, weiterhin an Kirchen, an die Botschaften, an
Stars wie Emmanuel Adebayor (togolesischer Fußballstar), an die Ministerien,
den Fußballverband, Firmen und alle anderen erdenklichen Institute. Ich blieb
nicht die ganze Zeit in Lomé, da in Kpalimé auch Arbeit auf mich wartete. Ich
sollte hier ein kleines Grundstück für unsere Boutique organisieren und ich
machte weiterhin Anfragen, hauptsächlich an muslimische Persönlichkeiten.
Freunde aus meiner Fußballmannschaft, die Kontakte zu den Imams haben, halfen
mir. Da diese Gelder aus Saudi-Arabien bekommen, erhoffen wir uns daraus etwas.
Bei einem Malam (höhere Position als Imam) hatte ich bereits
Erfolg, wenn auch nur einen kleinen. Dieser gab mir eine kleine Spende mit. Als
am erfolgreichsten stellt sich unsere Arbeit in Lomé heraus. Wir waren bei
verschiedenen Fernseh- und Radiosendern, um in deren Sendungen einen Aufruf zu
starten. Zudem sollen solche Auftritte zur Sensibilisierung der Bevölkerung
gelten. Dies ist dringend nötig. Meine Gastschwester (7 Jahre) bspw. hatte
anfangs Angst, mich zu meinen Schülern zu begleiten, da sie dachte, sie würde
auch erblinden. Ich klärte sie schließlich auf und mittlerweile liebt sie es,
bei meinen Schülern zu sein. Ein Radiosender filmte meine Schüler beim
Fußballspielen, sie demonstrierten Lesen, Schreiben und auch die Nutzung eines
Computers. Nach einer Sendung riefen
bereits mehrere Togolesen an, um etwas zu spenden. Bis jetzt kam aber leider
erst eine Spende an.
Neben dieser Arbeit müssen wir uns auch um die Anerkennung
unserer Organisation vom Staat kümmern. Dazu haben wir bereits die statuts verfasst und wir sind dabei,
die Hausordnung zu
schreiben. Zudem bin ich dabei mithilfe eines Freundes eine Homepage
einzurichten, wofür allerdings auch noch Finanzierungsmittel fehlen. Linn
gestaltete für uns das Logo, welches jetzt nur noch digitalisiert werden muss.
Anfragen an deutsche Assoziationen von mir scheiterten leider. Die
Standard-Antwort lautete, sie wären nur eine kleine Organisation, die bereits
Projekte besitzt und nicht über ausreichend Finanzierungsmittel verfügt, um
weitere Projekte zu unterstützen.
Bei meinem letzten Besuch meiner Schüler in Lomé, verfassten
wir weitere Projekte. Wir suchen jetzt offiziell nach finanzieller
Unterstützung, um zusätzlich zu dem Schulbildungsprojekt ein
Landwirtschaftsprojekt zu beginnen und die Boutique aufzubauen. Beide Projekte
sollen in einiger Zeit das Schulprojekt finanzieren.
Die Arbeit in Lomé hat uns außerdem neue Mitglieder
beschert. Wir bestehen jetzt nicht nur aus Schülern und mir, sondern fördern
ebenfalls Studenten. Ein weiteres Ziel von SADEA. Die Förderung und Entwicklung
der Bildung von Blinden in Togo, mit inbegriffen Schüler, Studenten,
Auzubis,etc. Weiteres wichtiges Ziel ist die Sensibilisierung der Bevölkerung,
meiner Meinung nach ein ganz wichtiger Punkt. Dazu sollen in geräumiger Zeit
Sport- und Musikprojekte u.a. gefördert und gestartet werden.
So, ich muss es jetzt erstmal dabei belassen. Eine
Fortführung meines Berichtes und Neuigkeiten unserer Arbeit sende ich euch das
nächste Mal ;)
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